Wenn über dem Pfälzerwald die goldene Herbstsonne steht, ist
dies die Hauptzeit
der oft phantastischen und seltsamen Wesen aus dem Reich der
Pilze. Einige von ihnen
verstecken sich gerne, andere ziehen durch ihre wundersamen
auch oft bizarren Färbungen und Gestaltungen magisch unsere Blicke auf sich. So
auch für viele der schönste und geheimnisvollste unter ihnen, Amanita muscaria,
zu deutsch der Fliegenpilz. Sein
Auftauchen in den Wäldern beschwört auch das langsame Ende des Sommers.
Wie ein letztes, starkes Aufbegehren, hüllt die Sonne im
September, die vorherbstliche Natur noch einmal ein, lässt in ihren goldenen
Strahlen, Spinnweben und erste Herbstfrüchte uns in einem besonders schönen
Licht noch einmal erscheinen. Dies ist die Zeit des
" Altweibersommers " im Pfälzerwald.
Wer jetzt bewusst durch die Wälder wandert begegnet oft dem
stillen Männlein, mit rotem Hut und weißen Punkten darauf. Er mag den
Fichtenwald, hier finden wir ihn oft, aber seine große Liebe gehört der Birke,
nach ihr verzehrt er sich so, dass er eine ganz besondere Verbindung zu diesem
Baum aufgebaut hat. Botaniker und Pilzexperten nennen dieses Verhalten zwischen
Pilzen und Bäumen – Symbiose ! Der Fliegenpilz bildet mit den Wurzeln der Birke
sogenannte – Mykorrhizen, das sind Lebensgemeinschaften. So gilt in der
Mythologie besonders die Beziehung von Fliegenpilz und Birke, auch als ein
Symbol für eine verlorengegangene Beziehung des Menschen zur Natur.
Man identifiziert hier also den kleinen, knollenfüßigen,
roten Waldfürsten mit den Menschen.
Er steht auch für die ständige Erneuerung der Natur.
Die germanische Mythologie erzählt uns, der Fliegenpilz käme
jedes Jahr wieder auf die Erde, wenn in einer rauen Winternacht Wotan mit
seinem Gefolge durch die Wälder reite. Wenn sie durch die Dunkelheit jagten,
hätten die Pferde Schaum vor dem Maul und bluteten, da man sie so hart
anfasste. Im nächsten Jahr wüchsen überall da, wo der mit Blut vermischte
Schaum die Erde getränkt hätte, die wunderschön aussehenden Fliegenpilze.
Amanita muscaria bekam seinen deutschen Namen während des
Mittelalters, wo man ihn als Fliegenfänger nutzte. Man schnitt ihn dafür ihn Stücke,
tauchte ihn in Milch und Brot. Wenn nun die Fliegen, dieses Gemisch zu sich
nahmen, fielen sie in eine Bewusstlosigkeit. Neben toxischen Stoffen, die auch
in der Homöopathie genutzt werden, enthält der Pilz auch ein leichtes
Insektizid.
Vor allem früher, aber auch noch heute diente der kleine
Waldfürst den Menschen als Amulett und Talisman, ja man kann sagen der Fliegenpilz war
der Glücksbringer par Excellenze . In dieser Funktion soll er vor negativen
Einflüssen schützen, aber auch zu Wohlstand verhelfen. Er wird dementsprechend
häufig in der Lottowerbung genutzt:
Ein Glückpilz ! Dieser Aspekt macht auch seine Materialisation
als Spardose verständlich. Oft ist er auch als Glückssymbol in Zusammenhang mit dem
Jahreswechsel zu finden:
Früher sah man dies als eine Zeit des Übergangs und der
Gefahr, aber auch der Wandlung.
In den oft krisenhaften Zeiten des Überganges, wie z.B. der
Wechsel der Jahreszeiten, glaubten die Menschen besonders anfällig für negative
Einflüsse zu sein – Krankheiten, Verletzungen o.ä. Man fühlte sich Verbunden
mit den Wesen der Natur, wobei diese Beziehung durch die Handlungen der
Menschen geprägt werden konnten.
Heute wissen die Menschen nichts mehr über die traditionelle
Verwendung des Fliegenpilzes als Amulett und Talisman, doch scheint es, dass
sich vor allem in seinen mythologischen Relikten in unsere Welt einige alte
Vorstellungen, vor allem über den symbolischen Tod der Natur und ihre
Wiederauferstehung, herüber gerettet haben.
hukwa