Montag, 25. April 2011

Vom Welt Ich und vom Geist Ich

"Willst du vollenden den diamantenen Leib ohne Ausströmen,

Musst du mit Fleiß die Wurzel des Bewusstseins und Lebens erhitzen

Du musst erleuchten das stets nahe selige Land

Und dort immer dein wahres Ich wohnen lassen".

Richard Wilhelm – Goldene Blüte

Also: Die Wurzel von Bewusstsein und Leben erhitzt man durch Meditation.

Nur in dem ich selbst erleuchtet bin – Satori – erreiche, kann ich auch das nahe selige Land –

Nirwana – sehen. Bevor ich dieses "Sehe" kann ich schon meinen Geist dort wohnen lassen.

Wohnen im Sinne von "Ahnen".

Für die gängige Bezeichnung wahres Ich, benutze ich den Ausdruck "Geist-Ich", dieses Geist-Ich, ist insofern mein wirklich, eigenstes gereinigtes Ich, es ist befreit von den Schlacken und Infamitäten der Welt – Welt als Gesellschaft gesehen. So lange wir uns in der profanen Welt bewegen, ist unser Ich in diese Welt hinein verschlackt. Der Adept lebt also tatsächlich mit zwei Ichs ohne in Gefahr zu laufen schizophren zu werden, schließlich weiß er, dass sein Geist-Ich, das Ich des diamantenen Körpers ist, also seiner Seele. Lebt der Mensch nur mit seinem Welt-Ich ahnt er noch nicht einmal etwas vom seligen Land. Um in die Welt der Sphären einzudringen benötigt er sein Geist-Ich, kehrt er aus den Sphären zurück, benötigt er aber sein Welt-Ich. Denn: Wenn ich mich in der profanen Welt bewege, ist mein Geist-Ich immer in Gefahr von der Welt übermannt zu werden, daher "übermantele" ich mein Geist-Ich sobald ich in der profanen Welt lebe, mit meinem Welt-Ich. Dennoch: Immer ist eine bewusste Verbindung beider Ichs vorhanden. Das Geist-Ich würde ich verlieren sobald ich es ganz der profanen Welt aussetze. Ich habe Leute gekannt, die eine höhere Bewusstseinsstufe erreicht hatten, sie machten den Fehler ihr Geist-Ich der Welt preiszugeben, was sich auf ihre Psyche verheerend auswirkte.

Das Geist-Ich bedarf der ständigen Pflege, aber, und das ist sehr wichtig – ich darf in dem ich dieses pflege mein Welt-Ich auf keinen Fall vernachlässigen – geschieht dies bin ich eben nur noch in einer Welt zu Hause.

Wenn wir zu unserem "neuen, alten Geist-Ich" zurückgekehrt sind, werden wir bald erkennen, das dieses spirituell Neue, etwas ist das uns schon immer begleitet. Denn um etwas Neues konkret zu machen, muss man sich des vergangenen Erinnern können. Nur so ist es auch möglich die Fundamente sichtbar zu machen, auf denen das neue aufgebaut ist. Letztendlich ist jedes neue eine maskierte Manifestation des Alten. Unser Welt-Ich ist eine solche Manifestation unseres Geist-Ichs. Das Welt-Ich ist vorüber gehend, das Geist-Ich ist unser existenzielles Ich. Das Geist-Ich, das ja zu unserer Seele gehört, wie das Welt-Ich zu unserem physischen Körper, befähigt uns in die Strukturen unseres Gesamtbewusstseins, einzudringen, somit auch in die Bewusstseinsstrukturen des Weltbewusstseins. Die Hauptstrukturen dieses Weltbewusstseins sind die Weltzeitalter, die man folgt bezeichnen kann: das archaische, das magische, das mythische und das mentale. Wir können davon ausgehen das wir derzeit ins supramentale Bewusstsein übergehen können, wenn wir wollen. Dieses Supramentale ist die Vorstufe des integralen Bewusstseins das die Menschheit irgendwann erreichen wird. Zwar gliedern sich die Weltzeitalter nacheinander geschichtlich auf, dennoch besteht jedes vom integralen Bewusstsein her gesehen im Hier und Jetzt, sie sind also real und keine Geschichte.

Was wieder heißen soll das bestimmte Menschen das integrale Bewusstsein schon erreicht haben. Menschen die "ihrer Zeit" voraus waren gab es immer schon. Also: jede Struktur bleibt wirksam, wenn auch eine neue sich schon aus ihr herausstrukturiert hat. Das integrale Bewusstsein erhebt sich über Zeit und Raum hinaus, so gab es schon immer in jedem Weltzeitalter Adepten die im integralen Bewusstein lebten – Menschen wie Lau dse, Buddha oder Platon.

In ihrem Buch "Philosophie des Zen-Buddhismus", schreibt Toshihiko Izutsu:

"Der Mensch ist, insofern er die totale Aktualisierung des Wirklichkeitsfeldes ist, einerseits der kosmische mensch, der in sich selbst das ganze Universum umfasst – die Geist-Wirklichkeit, wie Lin Chie es nennt, die ganze Seinswelt durchdringt und durchläuft- anderseits dieser sehr konkrete individuelle Mensch, der hier und jetzt existiert, als Konzentration der gesamten Energie des Feldes. Er ist ein einzelner Mensch und Über-Mensch.

Wenn wir uns den Menschen unter diesem individuellen Aspekt nähern, so werden wir sagen müssen, das hinter dieser konkreten individuellen Person eine andere Person lebt. Diese zweite Person steht jenseits jeder Zeit- und Raumbegrenzung, denn das Feld dessen unmittelbarste Verkörperung sie ist, ist das ewige Jetzt und das Allseitige Hier. Aber sie begleitet die konkrete individuelle Person immer und überall oder ist völlig vereint mit ihr".

Was ich als Mensch mit einem Geist-Ich und einem Welt-Ich bezeichne sieht Izutsu einfach als einen zweidimensionalen Menschen wenn sie schreibt: "Er ist ein Mensch, der aus der Dimension der absoluten Wirklichkeit in die Welt der Phänomene zurückgekehrt ist. Er ist eine zweidimensionale Persönlichkeit. Als konkretes Individuum, das unter konkret existierenden Dingen verweilt, verkörpert er etwas Überindividuelles. Er ist ein Individuum, das überindividuell ist – zwei Personen in der vollkommenen Einheit einer einzelnen Person vereint".

hukwa