Freitag, 28. Oktober 2011

Die unsichtbare Nabelschnurr-Gedanken unter einem Baum

Schon als Knabe durchwanderte ich mit großer Leidenschaft die Umgebung meiner dörflichen Heimat. Dies ist auch heute noch eine meiner Hauptbeschäftigungen. Mag auch der eine oder andere hier von einer kleinen Welt sprechen, im Mikrokosmos unserer heimischen Flora und Fauna, entfaltet sich das Gesamtbild des Kosmos. Ist nicht der gesamte Sternenhimmel im winzigen Ei einer ameise enthalten?
Das Zwiegespräch mit Baum und Strauch, das beobachten der kleinsten Spinne, seine Zeit mit Libellen oder der Wasseramsel zu verbringen, gehört dies nicht zu den erhabensten Augenblicken menschlichen Daseins?
Ein Feuersalamander kann über fünfzig Jahre alt werden, würde er die menschliche Sprache sprechen, was könnte er uns nicht alles erzählen über seine nächtlichen Aktivitäten im geheimnisvollen Wald? Über Begegnungen und Erlebnisse.
Oft spüre ich das die Menschen denken wie kann man seine Zeit so unnütz verbringen? Nun ich habe in der Natur gelernt, dass es in ihr nichts Unnötiges gibt, sie ist einfach Inspiration.
Wenn ich das Haus verlasse und die alten Waldpfade betrete begrüßt mich die Eiche und der Feldahorn am Wegrand. Im Schlehendickicht, zeigt mir der Neuntöter stolz seine aufgespießten Trophäen. ewig wächst schon der Adlerfarn an gleicher Stelle und jeden Sommer erscheint immer wieder am gleichen Fleck Glockenblume und Sandrapunzel. Wenn ich dem Lauf der Moosalb folge singt sie mir ihr geheimnisvolles Lied. Ich brauche keine große Flüsse mir genügt dieser wundervolle Bachlauf dessen Ufer gefüllt ist mit leben. Hier wo die Libellen im Sommer schweben, wo der Dukatenfalter still auf der weißen Dolde des Baldrians verharrt zeigt mir die Natur ihren Überfluss, hier bin ich Beschenkter.
Aus einem alten Erlenbruch steigt plötzlich der Habicht auf. Hohltauben gurren, der Grünspecht hämmert, dazwischen der süße Ton des Dompfaffs. Ich bin inmitten eines großartigen Konzerts und ich bin allein die Musiker spielen nur für mich. Die alte Erdmutter trägt schon Sorge dafür das bei ihren Kindern keine Langeweile aufkommt.
Der naturbewusste Mensch sollte um jeden Baum denn er kennt, der ihm täglich bei seinen Wanderungen Kühle und Schatten bietet Sorge tragen. Er muss sich den Bäumen, Pflanzen und Tieren seiner Heimat verpflichtet fühlen.
In unserer so ökonomisch und von Sachzwängen regierten Welt spürt man die Willkür die gegenüber der Natur ausgeübt wird heutzutags besonders stark. Oft lasse ich mich nieder auf meinen Waldgängen, lehne mich an einen Baumriesen und halte Zwiesprache mit diesem. Der alte Baum und ich, der ich ja langsam auch die Gefilde jugendlicher Unbekümmertheit hinter mir lasse bilden dann eine Einheit, sind Verbrüdert. In seinen Wipfeln rauscht es dann bald auf und ich weiß der Baum möchte mit mir reden und das tun wir dann auch. Es kommt mir so vor als gäbe es da eine unsichtbare Nabelschnurr zur alten Erdmutter, die uns beide zu Anfang aller Zeiten als Geschwister in die Welt gedacht hat, ja so wird es gewesen sein und ich glaube es wäre gut wenn es immer noch so wäre.
hukwa